Zum Stand feministischer Kämpfe
04.03.17 – 19:00 – Universität Wien (genauer Ort wird bekannt gegeben)
Im angesicht der autoritären Zuspitzungen innerhalb unserer Gesellschaft wird es immer schwerer, die Position radikaler Kritik der Verhältnisse und der aktuellen Entwicklungen einzunehmen. Schon immer exisitierende Widersprüche und Spannungsverhältnisse innerhalb emanzipatorischer Politik werden sichtbarer und neue unbequeme Fragen nach dem Verhältnis von Strategie und Inhalt kommen auf die Tagesordnung. Von Mainstreammedien bis hin zum autonomen Wohnzimmerplenum stellen sich Akteur*innen linker Politik ähnliche Fragen: Wie konnte es so weit kommen? Was haben wir falsch gemacht und wie machen wir weiter? Überall werden Kongresse und andere Events aus dem Boden gestampft, um Debatten über Ziele, (Zusammen-)Arbeit und Möglichkeiten empanzipatorischer Politik wieder in Gang zu bringen. Neue Bündnisse, neue Spaltungen und neue Agenden geistern durch die (radikale) Linke.
Es ist ein mittlerweile sehr skeptisch betrachtetes Gerücht, dass linke Praxis und Organisation auch stets feministische Praxis und Organisation bedeuten. Doch auch nach der Enthüllung und Verwerfung der Haupt- und Nebenwiderspruchsthese („Sobald wir den Kapitalismus abgeschafft haben, erledigt sich der ganze Rest von selbst. Wer und wie ist dabei nicht so wichtig.“) hält sich das Märchen von der guten herrschaftsfreien Linken: Nämlich einer, die sich angesichts von Sexismus, Rassismus, Antisemitismus und einer Vielzahl von weiteren -Ismen und Phobien, die sie der Gesellschaft diagnostiziert, scheinbar zurücklehnen und in ihrer weißen Weste posieren kann.
Das Patriarchat kann aber nicht durch abstrakte Analysen und ein paar Quotenfrauenlesbentrans*Personen beseitigt werden, da es sich durch alle Ebenen unseres Lebens und unserer Beziehungen zieht. Materialistischer Feminismus hat gezeigt, dass Kapitalismus und Patriarchat eine gemeinsame Geschichte und Gegenwart haben und nicht getrennt voneinander kritisiert werden können. Postkolonialer Feminismus hat die Deutungshoheit eines weißen Mittelschichtsfeminismus angefochten und die Kontinuitäten und Überschneidungen von Patriarchat, Rassimus und neokolonialer Ausbeutung aufgezeigt.
Eine Abkehr radikaler Kritik der kapitalistischen und patriarchalen Verhältnisse und der Versuch von lediglich identitätsbezogenen Beschreibungen und Varianten des Status Quo versperren den Blick auf grundlegende Fragen feministischer Kämpfe: Was ist das Ziel feministischer Kritik und Praxis? Wer sind ihre Akteur*innen? Wie können Debatten über Strategie und Organisation geführt werden?
Das bleibt nicht ohne Konsequenzen: Sexismus und Propaganda gegen die Political Correctness als rechtes Steckenpferd sind plötzlich wieder sexy und wählbar. Biologistische Standpunkte, die die Marginalisierung feministischer Kritik der Dekonstruktion von binären Geschlechterbildern in die Schuhe schieben und eine Rekonstitution des feministischen Subjekts, also der “echten Frau” fordern, erfreuen sich wieder mehr Popularität. Und die durch neoliberale Feminist*innen beschworenen Verbesserungen halten einem genaueren Blick nicht stand – viemehr entuppen sie sich als vermarktbares Individualisierung- und Optimierungsprojekt. So bleiben die alten Probleme auch die neuen: sexualisierte Gewalt, Abwertung, Reproduktion, (ökomomische) Ungeichheit, Fremdbestimmung und Ausbeutung.
Im Rahmen der Kampagne „Make Feminism a threat again“ zum internationalen Frauen*kampftag 2017 wollen wir einen Raum eröffnen, um grundlegende Fragen und Positionen zu stellen, zu diskutieren und wieder neu zu beziehen: Wie steht es um feministische Kämpfe? Wo sind die Stimmen feministischer Gesellschaftsktik und feministischer Organisation in diesen Zeiten kapitalistischer Krise und dem Aufstieg reaktionärer Ideologien? Ist eine feministische Debatte am Punkt einer Kritik der eigenen Reihen stehen geblieben? Verläuft sich linke feministische Praxis im Finden immer weiterer Widersprüche von unterschiedlichen Positionen und Identitäten?
Denn unser altes Ziel ist auch das neue: die befreite Gesellschaft!